4. Reinigungsstufe - Spurenstoffelimination

Mit dem technischen Fortschritt in der chemischen Analytik können bereits geringe Konzentrationen anthropogener, organischer Spurenstoffe im Wasser nachgewiesen werden. Dabei nehmen in Bezug auf die Wasserqualität Pharmaka, Pflanzenschutzmittel und Industriechemikalien eine wesentliche Rolle ein.
Der bedeutendste Eintragspfad dieser Stoffe sind die kommunalen Kläranlagen, die bislang nicht auf eine gezielte Elimination von organischen Spurenstoffen ausgelegt sind. Aufgrund ihrer Persistenz werden diese Stoffe daher in den Kläranlagen nur unzureichend eliminiert. So werden die Spurenstoffe über den Kläranlagenablauf in die Umwelt emittiert und stellen eine potentielle Gefahr für die aquatische Ökologie dar. Die tatsächliche Auswirkung auf aquatische Organismen und auf den Menschen wird zurzeit in der Fachwelt diskutiert.

Auf Basis des Vorsorgeprinzips sind in Deutschland mögliche Grenzwerte für bestimmte Indikatorsubstanzen im Gespräch. Zusätzlich könnte durch eine Erweiterung der Liste der prioritären Stoffe gemäß EU-WRRL um ausgewählte Spurenstoffe ein Handlungsbedarf für kommunale Kläranlagen entstehen. Insbesondere Kläranlagen mit sensiblen Vorflutern werden sich künftig mit der Erweiterung einer vierten Reinigungsstufe auseinandersetzen müssen.
Die vierte Reinigungsstufe wird bereits in der Schweiz und in Deutschland in den Bundesländern Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen auf zahlreichen Kläranlagen großtechnisch erprobt und umgesetzt.

Bei folgenden Projekten haben wir uns mit dem Thema der
4. Reinigungsstufe auseinandergesetzt:


Merck KGaA – Standort Darmstadt; Generalplanung für die Errichtung einer 4. Reinigungsstufe auf der Betriebskläranlage

Kläranlage Heppenheim - Studie zur weitergehenden P-Elimination und Verringerung von Mikroverunreinigungen

Spurenstoffelimination in der Kläranlage Netphen

Standortanalyse zur Spurenstoffelimination für das Hauptklärwerk Wiesbaden

Projektsteuerungsleistungen – Kläranlage Büttelborn Errichtung einer vierten Reinigungsstufe

Literatur zum Thema:
1. Integration der Spurenstoffentfernung in Technologieansätze der 4. Reinigungsstufe bei Klärwerken

Das Buch fasst die Ergebnisse des Forschungsvorhabens IST4R (Integration der Spurenstoffentfernung in Technologieansätze der 4. Reinigungsstufe) zusammen. Unser Kollege Daniel Mutz ist einer der Autoren dieses Buches.

Universitätsverlag der TU Berlin; 2016; Herausgeber: M. Jekel und A. S. Ruhl; 189 Seiten; ISBN 978 - 3 - 7983 - 2806 - 8

Link zum Abschlussbericht.

2. Anthropogene Spurenstoffe und Krankheitserreger im urbanen Wasserkreislauf – Bewertung, Barrieren und Risikokommunikation (ASKURIS)

Universitätsverlag der TU Berlin; 2016; Herausgeber: M. Jekel und A. Ruhl; ISBN 978-3-7983-2814-3

Link zum Abschlussbericht.

Verfahrenstechnische Möglichkeiten

Als Eliminationsverfahren haben sich hauptsächlich zwei Technologien durchgesetzt:

• Adsorption an Aktivkohle
• Oxidation durch Ozonung

Die Eliminationsleistung für die organischen Spurenstoffe ist stoffspezifisch und hängt neben der gewählten Verfahrenstechnik auch von der vorhandenen Abwassermatrix (= Konkurrenzreaktionen) ab. Für die Wahl des Verfahrens sind die zu entfernenden Spurenstoffe im Ablauf der Kläranlage zu erfassen. Die DOC-Konzentration (gelöste organische Kohlenstoffe) ist ebenfalls zu quantifizieren, da sich insbesondere für eine Ozonung zur Ermittlung der spezifischen Dosiermenge an Ozon [g O3/gDOC] für eine gewünschte Reinigungsleistung bewährt hat.


Aktivkohleadsorption

Die Spurenstoffelimination kann durch die kontinuierliche Dosierung von Pulveraktivkohle (PAK) oder durch einen Festbettadsorber mittels granulierter Aktivkohle (GAK) realisiert werden. Nachfolgend sind die Verfahrensmöglichkeiten mit ihren Vor- und Nachteilen kurz zusammengestellt:

Simultane PAK Dosierung in die Belebung:
• Geringe Investitionskosten (keine aufwendigen bautechnischen Anlagen)
• Höhere spezifische Dosierung an PAK notwendig
• Zusätzliche Feststoffbelastung der Belebung
• PAK im Überschussschlamm: nur noch thermische Behandlung möglich

PAK Dosierung in nachgeschaltete Adsorptionsstufe:
• Hohe Investitionskosten (Mischkaskade, Sedimentationsbecken, Filtration)
• Hohe Verweilzeit der PAK im System = geringere spez. Dosierung notwendig
• Verbrauchte PAK kann separat abgeführt werden

PAK Direktdosierung auf einen Zweischichtfilter:
• Hohe Investitionskosten (wenn keine Filtration vorhanden)
• Geringere Kontaktzeit der PAK mit Abwasser
• Fällmittel für besseren PAK Rückhalt im Filter notwendig
• Weitergehende P-Elimination durch Fällmitteleinsatz
• Verbrauchte PAK kann separat abgeführt werden

GAK Festbettadsorber:
• Hohe Investitionskosten (Zweischichtfilter)
• GAK kann regeneriert werden
• Hohe DOC-Konzentrationen im Ablauf Nachklärung führen zu kurzen Filterstandszeiten
• Kein Einfluss auf die Schlammbehandlung, da GAK örtlich fixiert


Ozonung

Anders als bei der Adsorption werden die organischen Spurenstoffe (Primärstoffe) durch die Oxidation mittels Ozon zu möglichen Transformationsprodukten (TP) umgewandelt. Meist sind diese Metabolite leicht(er) abbaubar. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass manche TP ebenfalls eine ökotoxikologische Wirkung mit sich bringen. Daher wird meist nach der Ozonung eine biologische Nachbehandlung z. B. in Form einer Filtrationsstufe empfohlen, um die Metabolite aus dem Abwasser zu entfernen. Positive Nebeneffekte der Ozonung sind eine teilweise Desinfektion des Abwassers, eine Entfärbung und eine weitergehende CSB-Entfernung. Für die technische Umsetzung sind die Kontaktzeit und die spezifische Dosierung entscheidend. Ozon wird dabei vor Ort in einem Ozongenerator hergestellt. Als Betriebsmittel wird großtechnisch Flüssigsauerstoff verwendet.


Zusammenfassung und Ausblick

Angesichts der aktuellen Diskussion und der zu erwartenden erhöhten Anforderungen bzgl. der Spurenstoffelimination kann eine Erweiterung kommunaler Kläranlagen mit einer vierten Reinigungsstufe erforderlich werden. Für eine optimierte Planung spielen diverse Faktoren eine Rolle:
• Abwassermatrix: Welche Spurenstoffe befinden sich im Ablauf der Kläranlage? (Stoffspezifische Elimination der Verfahren)
• Welches Reinigungsziel soll verfolgt werden?
• Wie hoch ist die DOC-Konzentration? Spezifische Dosierung von Ozon bzw. Aktivkohle? (Betriebsmittelbedarf)
• Bestehende Verfahrenstechnik: Sind Filtereinheiten bereits vorhanden? (Investitionskosten)
• Platzbedarf auf der Kläranlage?
• Auflagen durch Genehmigungsbehörden?

Hierzu sollte im Einzelfall geprüft werden, ob eine Aktivkohleadsorption oder eine Ozonung zu empfehlen ist.

Abb. 1: Schema einer nachgeschalteten Ozonung

 

Abb. 2: Schema einer nachgeschalteten Adsorptionsstufe mit PAK-Kreislaufführung

 

Abb. 3: Schema einer nachgeschalteten Adsorptionsstufe mit direktem GAK-Festbettadsorber

Downloads